Die Zirbeldrüse gilt als Teil des Epithalamus, einer der Hauptstrukturen, aus denen das Zwischenhirn besteht. Im Gegensatz zu vielen anderen Strukturen im Gehirn ist die Zirbeldrüse nicht gepaart, d.h. viele Hirnstrukturen wie der Hippocampus oder die Amygdala sind symmetrisch mit einer anderen Kopie des Organs in der anderen Gehirnhälfte gepaart. Es gibt jedoch nur eine Zirbeldrüse, und diese sitzt genau auf der Mittellinie des Gehirns.
Was ist die Zirbeldrüse und was tut sie?
Die Einzigartigkeit und die unbekannte Funktion der Zirbeldrüse trugen dazu bei, dass der französische Philosoph Renee Descartes die Zirbeldrüse als “Sitz der Seele” bezeichnete und annahm, sie sei der Ort, an dem die immaterielle Seele mit dem physischen Körper kommuniziere. Descartes’ Ideen über die Zirbeldrüse wurden jedoch von seinen Zeitgenossen nie richtig akzeptiert, und heute ist die Funktion, die am häufigsten mit der Zirbeldrüse in Verbindung gebracht wird, die Ausschüttung des Hormons Melatonin, das an der Regulierung des Biorhythmus beteiligt ist.
Zusammenhang der Zirbeldrüse mit Melatonin
Es gibt keine Neuronen, die die Zirbeldrüse verlassen, um Signale an andere Bereiche des Gehirns weiterzuleiten. Stattdessen ist der Hauptausgang der Zirbeldrüse – und die Art und Weise, wie sie mit dem restlichen Nervensystem kommuniziert – Melatonin. Die Zirbeldrüse besteht hauptsächlich aus sekretorischen Zellen, den so genannten Pinealozyten, die Melatonin während unseres 24-Stunden-Zyklus in unterschiedlichen Mengen absondern. Die höchste Menge an Melatonin-Ausscheidungen treten mitten in der Nacht auf; sie beginnen mit zunehmender Dämmerung abzuklingen.
Dieser Zeitplan der Melatoninausschüttung wird auf der Grundlage von Informationen über die Lichtmenge in der Umgebung, die die Zirbeldrüse von der Netzhaut erhält, aufrechterhalten. Die Netzhaut sendet diese Information an ein bestimmtes Areal im Hypothalamus, den so genannten suprachiasmatischen Kern (SCN). Von diesem wird sie schlussendlich weiter an die Zirbeldrüse geleitet.
Der SCN sendet nicht nur Informationen über die Umgebungshelligkeit an die Zirbeldrüse, sondern kontrolliert auch die Tagesrhythmen. Der SCN verfügt über Rezeptoren für Melatonin und nutzt das Melatonin-Signal, um Informationen über die Tageszeit zu erhalten. Da der Melatoninspiegel in den Stunden der Dunkelheit am höchsten ist, kann der SCN die Melatoninaktivität so deuten, dass sich unser Tagesrhythmus in seinem nächtlichen Stadium befindet.
Deshalb eignet sich die Melatoninausschüttung bestens als wichtiger Indikator. Ist der Melatoninspiegel am Tag sehr hoch und in der Nacht sehr niedrig, kann man davon ausgehen, dass die Person entweder oft Nachtschichten hat oder kürzlich aus einer anderen Zeitzone zugereist ist. Um diesem Effekt vorzubeugen, kann man den betroffenen Personen Melatonin exogen verabreichen. Dies wurde bereits positiv als eine Möglichkeit zur Beschleunigung des Anpassungsprozesses an einen neuen Schlaf-Wach-Zyklus erforscht.
Die Reaktion von Photoperiodischen Tieren auf die Melatoninproduktion
So wie die Melatonin-Ausscheidung Auskunft über die Tageszeit geben kann, so kann die nächtliche Dauer der Melatonin-Ausscheidung Auskunft über die Jahreszeit geben. Da im Winter längere Perioden der Dunkelheit auftreten, ist die Dauer der nächtlichen Melatoninproduktion im Winter etwas länger als im Sommer. Dies wird als Indikator bei Tieren verwendet, die als photoperiodisch gelten. Photoperiodische Tiere durchleben biologische- und Verhaltensänderungen als Reaktion auf den Wechsel der Jahreszeiten.
Zum Beispiel senkt sich die Libido vieler Nagetiere signifikant in den Wintermonaten. Man fand heraus, dass die Zirbeldrüse für die Unterdrückung der sexuellen Aktivität eine wichtige Schlüsselrolle spielt. Dies legt nahe, dass die Melatoninproduktion der Zirbeldrüse bei Nagetieren als eine Art biologischer Kalender dient. Außerdem hilft sie dabei das jahreszeitliches Verhalten zu regulieren.
Die Reaktion des Menschen auf die Melatoninproduktion der Zirbeldrüse
Ob dies auch mehr oder weniger auf den Menschen zutrifft konnte noch nicht einheitlich nachgewiesen werden. Aufgrund des Auftretens von depressiven Symptomen im Winter bei Menschen mit jahreszeitlich bedingter affektiver Störung wurde jedoch vermutet, dass eine abnorme Melatoninausschüttung eine Rolle bei der Erkrankung spielt, was darauf hindeutet, dass es im Bereich des Möglichen liegt, dass jahreszeitliche Veränderungen der Melatoninausschüttung auch das menschliche Verhalten beeinflussen.
Aufgrund der engen Verbindung mit Nacht- und Tagesrhythmen wurde untersucht, ob Melatonin eine Rolle bei der Förderung des Schlafs spielt. Einige Forscher stellten die Hypothese auf, dass die Ausschüttung von Melatonin den Schlaf erleichtern könnte. Dies solle durch die Hemmung der Aktivität im SCN hevorgerufen werden. Die wahre Beziehung zwischen Melatonin und Schlaf ist jedoch unklar. Bei nachtaktiven Tieren sind die Melatoninspiegel nachts immer noch am höchsten, was auf eine Rolle von Melatonin in Tagesrhythmen hindeutet.
Können Schlafstörungen Mittels exogner Injektionen von Melatonin behandelt werden?
Viele Studien haben die Auswirkungen der Anwendung von Melatonin auf den Schlaf untersucht. Obwohl es einige Hinweise darauf gibt, dass es bei der Behandlung leichter Schlafstörungen wirksam sein könnte, waren die Ergebnisse gemischt (siehe z.B. Ferracioli-Oda et al., 2013 und Buscemi et al., 2005). Die richtige Menge an Melatoninproduktion ist wichtig für die menschliche Gesundheit, denn das Hormon ist an einer Vielzahl von Prozessen des menschlichen Organismus beteiligt.
Die Bedeutung von Melatonin für die Aufrechterhaltung des Tagesrhythmus und die Rolle der Zirbeldrüse bei seiner Produktion legen nahe, dass die Zirbeldrüse eine wesentliche Komponente für die Gesundheit des zentralen Nervensystems darstellt.
Referenz (zusätzlich zum oben verlinkten Text):
Sapède D, Cau E. The pineal gland from development to function. Curr Top Dev Biol. 2013;106:171-215. doi: 10.1016/B978-0-12-416021-7.00005-5.