Jeder verspürt das Durstgefühl. Der Drang Flüssigkeit und somit das Durstgefühl ist ein natürlicher Instinkt der durch eine negative Rückkopplungsschleife zwischen dem Gehirn und anderen Organen im Körper reguliert wird. Bei älteren Menschen und anderen Personen schwächt sich diese Schleife jedoch manchmal ab, wodurch ihre Gesundheit gefährdet wird. Indem die Wissenschaftler die Komplexität des Durstgefühls entschlüsseln entwickeln sie bessere Behandlungsmethoden für Menschen die ihr Durstgefühl verlieren, und gewinnen mehr Wissen über viele andere grundlegende menschliche Verhaltensweisen.
Durstgefühl als Überlebensinstinkt
Das Durstgefühl. Was den Überlebensinstinkt angeht, so geht es nicht elementarer. Wasser ist das Molekül, das im menschlichen Körper am häufigsten vorkommt und etwa 70 Prozent unseres Körpergewichts ausmacht. Es erfüllt eine Vielzahl wichtiger innerer Funktionen, von der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur über den Transport von Vitaminen, Mineralien, Hormonen und anderen Substanzen bis hin zur Schmierung von Gelenken, Augen und Darm.
Ohne Wasser können wir nur wenige Tage überleben. Der Durst und somit das eihergehende Durstgefühl ist eine automatische Erinnerung an diese Tatsache – und spielt daher eine entscheidende Rolle uns am Leben zu erhalten. Dennoch verlieren die Menschen manchmal ihr Durstgefühl. Vor allem ältere Menschen neigen dazu sich nicht durstig zu fühlen, selbst wenn sie dehydrieren. Bestimmte Hirnverletzungen können auch dazu führen das Menschen nicht mehr erkennen wann sie trinken müssen.
In jüngster Zeit sind Berichte über Menschen, insbesondere Marathonläufer, aufgetaucht, die in einem übereifrigen Versuch, eine Dehydrierung zu vermeiden, zu viel Wasser trinken. Das überschüssige Wasser belastet die Nieren, die die Flüssigkeit nicht schnell genug ausspülen können. Das Wasser strömt dann in die Zellen im ganzen Körper und lässt sie wie Ballons anschwellen. Im Gehirn kann eine solche Schwellung katastrophale Folgen haben: Krampfanfälle, Koma, Atemstillstand und Tod.
Studien zum Durstgefühl
Jüngste Forschungen helfen den Wissenschaftlern, mehr Wissen über das Durstgefühl und die Rolle des Gehirns bei seiner Regulierung zu erlangen. Diese Studien führen zu:
- Ein besseres Verständnis dafür, wie das Altern das Durstgefühl dämpft.
- Bessere Einblicke in Diabetes insipidus (“Wasser”-Diabetes) und andere Krankheiten, für die ein übermäßiges Durstgefühl ein Symptom ist.
- Sicherere Empfehlungen, wie viel Wasser Marathonläufer und andere Ausdauersportler konsumieren sollten.
Wissenschaftler untersuchen seit Jahrzehnten die neurologischen Grundlagen des Durstgefühls. Schon früh entdeckten sie, dass das primäre “Durstzentrum” des Körpers im Gehirn der Hypothalamus ist, eine Tiefenstruktur, die auch die Körpertemperatur, den Schlaf und den Appetit reguliert. Spezielle Sensoren im Hypothalamus überwachen ständig die Konzentration von Natrium und anderen Substanzen im Blut. Der Hypothalamus erhält auch Inputs von Sensoren in den Blutgefässen, die das Blutvolumen und den Blutdruck überwachen. Wenn das Blutvolumen oder der Blutdruck zu stark absinkt, z.B. durch Blutungen, durch übermässigen Flüssigkeitsverlust bei Schweiss oder Durchfall, oder wenn die Natriumkonzentration im Blut durch den Verzehr von salzigen Snacks oder als Folge bestimmter Krankheiten zu stark ansteigt, sendet der Hypothalamus eine starke Botschaft in Form des Durstgefühls aus.
Aus Gründen, die nicht klar sind, neigt das Alter dazu, diese Botschaft im Gehirn zu unterdrücken. In seltenen Fällen, wenn ein Aneurysma oder eine andere Hirnverletzung die Sensoren im Hypothalamus, die die Natriumkonzentration im Blut regulieren, zerstört hat, können Menschen ihr Durstgefühl vollständig verlieren. Ihnen muss täglich eine bestimmte Menge Flüssigkeit verordnet werden, damit ihr Körper ausreichend mit Wasser versorgt ist.
Durst ist nicht die einzige Reaktion des Gehirns auf Dehydrierung.
Wenn der Körper zu wenig Wasser hat, steigert der Hypothalamus die Bildung eines antidiuretischen Hormons namens Vasopressin. Wenn Vasopressin von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet wird, wandert es zu den Nieren . Dort bewirkt es, dass Wasser aus dem Urin resorbiert wird. Dies reduziert den Urinfluss und sorgt dafür das Wasser im Körper konserviert wird , bis mehr Flüssigkeit verbraucht wird.
Wird jedoch die Hypophyse geschädigt oder sind die Nieren nicht in der Lage, auf Vasopressin zu reagieren, ist der Körper nicht in der Lage, Flüssigkeit zu konservieren. Die Folge kann Diabetes insipidus sein. Dies ist ein Zustand, der durch übermässigen Harndrang und extremes, unkontrollierbares Durstgefühl gekennzeichnet ist. (Der Diabetes insipidus ist nicht zu verwechseln mit dem Diabetes mellitus, der ebenfalls übermässiges Durstgefühl und Harndrang verursacht. Jedoch, kommt dies durch einen Insulinmangel oder einer Insulinresistenz, welches zu einem hohen Blutzuckerspiegel führt).
Bis die Wissenschaftler die Struktur von Vasopressin und seine Rolle bei Diabetes insipidus verstanden hatten, mussten Menschen mit dieser Erkrankung täglich bis zu 19 Liter Wasser trinken, um gesund zu bleiben. Heute kann Diabetes insipidus jedoch erfolgreich mit dem synthetischen Medikament Demopressin behandelt werden, das die Wirkung von Vasopressin nachahmt.
Kürzlich haben Wissenschaftler entdeckt, dass die Ausschüttung von Vasopressin in Zeiten körperlicher Belastung zunimmt (und somit weniger Körperflüssigkeit verloren geht). Aus diesem Grund empfehlen viele medizinische Experten nun, dass gesunde Läufer während des Marathons nur dann trinken sollten, wenn sie durstig sind. Dies vermindert die Speicherung von überschüssigem Wasser, welches schlimme Folgen haben könnte.
Durstgefühl & offene Fragen in der Forschung
Obwohl viel über die neuronale Regulation des Durstes gelernt wurde, geht die Forschung weiter. Wissenschaftler erforschen zum Beispiel, warum Faktoren wie Schlucken und Entleeren von Flüssigkeiten aus dem Magen den Durst zu hemmen scheinen. Vor allem weil dies noch vor der vollständigen Dehydration des Körpers geschieht. Studien über den Durstmechanismus tragen auch dazu bei, einige der Mechanismen zu entschlüsseln, mit denen das Gehirn Schlaf, Appetit und andere grundlegende menschliche Instinkte stimuliert.